Walter Heist (1941-2011)
Liebe Frau Heist, liebe Familie Heist, mit Ihnen trauert die Stiftung Kreisau für Europäische Verständigung – der Stiftungsrat, der Aufsichtsrat, der Vorstand und die Mitarbeiter, für die Herr Geiger und ich hier sind, und für die alle ich jetzt spreche. Wir sind sehr traurig und möchten Ihnen gegenüber unsere herzliche Anteilnahme zum Ausdruck bringen. In Kreisau, das ja zur Nagelkreuzgemeinschaft von Coventry gehört, wird heute um 12.00 Uhr im Mittagsgebet ganz besonders Ihres Mannes, Vaters und Großvaters gedacht. Einen besonderen Gruß überbringe ich von Frau Eva Feldmann-Wojtachnia, der Vorsitzenden des Stiftungsrates.
Kreisau, das ist ein kleines Dorf in Schlesien mit dem ehemaligen Gutshof der Familie Moltke. Kreisau ist auch ein Ort deutscher Geschichte. Sein Name ist verbunden mit dem preußischen Feldmarschall Helmuth Graf von Moltke, mit dem Widerstandskämpfer Helmuth James Graf von Moltke, mit dem Kreisauer Kreis und heute mit der Verständigung zwischen Polen und Deutschen. Wundert es, dass Walter, als wir uns im Dezember 1992 erstmals begegneten, Feuer fing für das Vorhaben, dort europäische Jugendbegegnung zu organisieren? Wundert es bei seinen historischen, politischen und pädagogischen Interessen? Nein. Wer ihn kannte, der war aber auch nicht überrascht, dass er seine Begeisterung vom Ort und von der Sache anderen vermitteln konnte: den Kollegen, Schülern und Eltern seiner Altkönigschule, die zu einem der wichtigsten Partner der Stiftung Kreisau wurde. Und auch auf den kanarischen Inseln gelang ihm das wieder, nun deutsche und spanische Schülerinnen und Schüler auf die weite Reise nach Kreisau zu bringen. Doch Walter wurde auch in anderer Beziehung wichtig für Kreisau. Im Jahr 1994 wurde er in den Stiftungsrat der Stiftung Kreisau gewählt und 1996 zu dessen stellvertretendem Vorsitzenden. Von 2002 bis zu seinem Rücktritt 2010 war er Vorsitzender dieses Gremiums. Außerdem hat er in der Gedenkstätten- und Akademiekommission mitgearbeitet. So hat er einen ganz wichtigen Beitrag zum Aufbau der Kreisauer Arbeit und zu ihrem Fortbestand geleistet. Als die Stiftung Kreisau 2009 der Altkönigschule den „Kreisau-Krzyżowa-Preis für nachhaltige Zusammenarbeit in Polen“ verlieh, war das auch ein besonderes Dankeschön an Walter. Die „neuen Kreisauer“ werden ihn in guter Erinnerung behalten: den fröhlichen Menschen, der sich, wo immer nötig, engagierte; den Mann mit reichem Wissen und reicher Erfahrung; den temperamentvollen Diskutanten, der so lebhaft Texte rezitieren und sich manchmal auch wunderbar aufregen konnte. Was waren das für Abende in Kreisau, wenn wir in einer Runde von Menschen ganz unterschiedlicher Herkunft und Lebenserfahrung über Gott und die Welt diskutierten. Auch manches Abenteuer hielt Kreisau bereit: lange gemeinsame Fahrten mit dem Auto von Frankfurt dorthin; Flüge, die manchmal nicht nach Breslau, sondern nach Posen führten; rasante Taxifahrten von Breslau nach Kreisau, bei denen einem manchmal angst und bange wurde; Ankunft in Kreisau mit viel Verspätung, abends im Schneesturm, und dann die Suche auf dem weitläufigen Gelände nach einer Menschenseele, die einem die entscheidenden Türen öffnen könnte. Erinnerungen sind das an einen guten Freund, an einen liebenswerten und interessanten Menschen, an aufregende Ereignisse und an Stunden, die man nicht vergisst. Und das ist es, was ich Ihnen, liebe Frau Heist, und Ihrer Familie wünsche, dass die Erinnerungen an die guten Zeiten schnell das Leid überdecken, dass Sie von diesen Erinnerungen zehren und Walter so in anderer Weise weiter leben lassen.
(Jürgen Telschow)